Ma Folie
Andrina Mračnikar (2015): „Ma folie“
Inhalt des Films:
„Ma Folie“ (mein Wahnsinn), Österreich 2015, erzählt eine anfänglich leise daherkommende und überaus sehnsuchtsvolle Liebesgeschichte von Hanna und Yann, mit Verschmelzungs-wünschen und wechselseitiger Hingabe, die nach und nach zu einem vielschichtigen Thriller und zum Albtraum für Hanna wird. Obgleich sie sich letztendlich zu trennen vermag, dringen seine Lettres filmées, kleine mit dem Smartphone aufgenommene Videos in sie ein, nehmen von ihr und ihrem Denken und Fühlen Besitz, bemächtigen sich ihrer. Es ist ein Film, bei dem anfangs willentlich und von beiden sehnlichst gewünscht die Grenzen fließen, später dann aber Eigen- und Fremdwahrnehmung, Realität und Illusion sowie Wahrheit und Lüge kaum noch unterscheidbar sind und Ich-Grenzen bedroht scheinen. Die Regisseurin und Autorin Andrina Mracnikar, eine Michael Haneke Schülerin, die über zehn Jahre an diesem Film saß, zeigt auf, wie Liebe, Hass, Sehnsucht, Destruktivität, Verschmelzungs- und Symbiosewünsche nahe beieinanderliegen können. Der Film wurde 2015 mit dem First Step Award als bestem Film ausgezeichnet.
Psychoanalytische Filmbetrachtung
im CinéMayence
Liebe, Sehnsucht, Destruktivität
Im sogenannten „Urteil des Paris“ wird der trojanische Prinz von Zeus dazu auserwählt den Streit der drei Göttinnen zu entscheiden, nämlich, wer die Schönste von ihnen sei. Athene versucht ihn für sich zu gewinnen, in dem sie ihm die Herrschaft über die Welt verspricht. Athene bietet ihm die Weisheit und Aphrodite die schönste Frau, nämlich Helena an, wenn er sie als schönste Göttin kürt.
Macht, Weisheit oder Frau. Was für eine Wahl? Und für was entscheiden sich Männer, zumindest, wenn sie überwiegend heterosexuell orientiert sind?
Er entschied sich für die Frau und damit für die Leidenschaft (eben im doppelten Sinne). Das Problem dabei war allerdings, dass Helena bereits mit Menelaos verheiratet und eine gemeinsame Tochter hatte. Dennoch entschied sich die schöne Helena für den schönen Prinzen Paris und ging mit ihm freiwillig nach Troja.
Diese Liebesgeschichte ist der Auslöser für das schrecklichste Gemetzel der Antike, den 10jährigen Trojanischen Krieg, der nur durch List und Betrug, d.h. durch eine „Lüge“ von Odysseus beendet wurde. Hierfür wurde er dann von den Göttern mit der sogenannten Odyssee bestraft. Nach seiner Rückkehr fand er seine Frau Penelope von Freiern bedrängt und brachte mit Hilfe seines Sohnes nun auch noch alle Freier um. Ein weiteres Gemetzel.
Alleine dieser Blick in die griechische Mythologie offenbart uns, wie nah Liebe, Leidenschaft, sehnsüchtiges Verlangen mit Macht und letztlich auch mit Destruktivität eins werden können. Wie gefährlich dieses auch werden kann und wie man sich darin verstricken kann, sahen wir in diesem Film. Manchmal einfach schwer auszuhalten, weil wir alle irgendwie die in diesem Film auftauchenden Affekte, Sehnsüchte, Gefühle, die Wut und die Verzweiflung kennen. Aber im Unterschied zu Hanna und Yann bremsen wir uns im Ausleben der Gefühlsambivalenzen, auch wenn es uns schwerfällt. Pat. mit Borderlinestörungen beispielsweise können sich hier häufiger nicht bremsen.
Und vielleicht wird hier in diesem Film auch eine urmännliche Fantasie sichtbar, fast im Sinne einer anthropologischen Grundkonstante: Ein Mann will der erste und der letzte Mann und Intimpartner im Leben einer Frau sein. So insistiert Yann in der zweiten Eifersuchtsszene: „Hast Du Dich je von ihm vögeln lassen (gemeint ist der Ex-Freund von Hanna)“. Sie: „Bist Du jetzt total irre“. Er: „Muss ich wohl sein, wenn ich für Dich MEIN LEBEN aufgebe.“ Es geht um Alles oder Nichts, es geht um Leben oder Tod, um Liebe, Schuld, Opfer- und Täterschaft die nicht sicher zuzuordnen sind.
Wenn bei lang verheirateten Paaren einer der Partner stirbt, erkrankt und möglicherweise verstirbt der andere bis dahin gesunde Partner kurz darauf. Wie kann man sich dieses Phänomen erklären. Eine Erklärung hierfür ist das Bindungsverhalten und dass wir als soziale Wesen auch ein Gegenüber dringend zur Regulation unseres biologischen Systems benötigen. Droht eine Trennung, ist die Gefahr der Dysregulation mit Folgen für die Gesundheit groß.
Bindungen sind für uns als soziale Wesen essentiell.
Und es ist Yann, der in beiden Eifersuchtsszenen immer wieder durch die Drohung zu gehen das Bindungsverhalten bei Hanna aktiviert, die hierüber in Panik gerät und immer wieder einknickt und lügt. Auch in der „Verabschiedungsszene“ kurz vor dem Sturz in den Donaukanal ist dies ein von Yann eingesetzter Mechanismus. Sie will gehen, bleibt aber erst einmal noch stehen.
die initiale Szene
Wissen Sie, was ein Hologramm ist? In den 70er Jahren trug man das als Modeschmuck, als Amulett. Es wird mit sog. holographischen Techniken hergestellt und zeigt ein echtes dreidimensionales Abbild eines Gegenstandes, bei dem man durch Drehen des Hologramms unterschiedliche Blickwinkel auf den abgebildeten Gegenstand bekommt.
Zerbricht man an solches Hologramm, so befindet sich in jedem kleinen Bruchstück das vollständige dreidimensionale Bild!
Das Ganze befindet sich also im Kleinen.
Und hiermit ist auch ein Aspekt paradigmatisch charakterisiert, der für uns Psychoanalytiker wesentlich ist: das holistische Prinzip oder aber wie wir das nennen: die initiale Szene. Wie kommt der Pat., wie nimmt er Kontakt auf, worüber spricht er im Erstkontakt, was löst er unmittelbar in uns aus usw. Wir erleben immer wieder, dass sich hier alle wesentlichen Themen des Pat. abbilden, auch wenn wir sie zum Beginn häufig noch nicht alle verstehen können.
Auf den Film angewandt heißt dies, dass in der ersten Szene von Hanna und Yann schon alles enthalten ist: Hanna fordert in ihrer Einsamkeit den ebenfalls einsamen Yann auf, ihr zu folgen und er folgt ihr, auf der Straße und später nach Wien. Er wird sie weiter verfolgen, anfangs mit besitzergreifender Liebe und Hingabe, später mit besitzergreifender subtiler Destruktivität.
Die Szene: Es ist eine nasse Straße, es hat geregnet. Wasser spielt in diesem Film eine ganz zentrale Rolle, aber dazu später.
Sie geht mit festem Schritt von hinten gefilmt auf das Bistro zu, streift hier suchend umher. Sie setzt sich und ihr suchender Blick findet Yann, dessen Platz vor ihm auch leer ist. Beide sind suchend. Ihr immer wieder kurz aufgenommener Blick Richtung Yann hat Aufforderungscharakter, der ihn erreicht. Als Hanna beim Verlassen des Bistros nahe an Yann vorbeigeht, ist die Kamera auf seine Hand gerichtet und es ist fast den Anschein, wie wenn es ihm schwerfällt, Hanna nicht schön jetzt beim Herausgehen zu berühren. Sie geht auf die Straße und ihr rückwärtsgerichteter sehnsuchtsvoller Blick und Wunsch, er möge ihr folgen, geht in Erfüllung. Und die tragische Geschichte nimmt ihren Lauf.
Deine Liebe, Deine Lügen
Es wird viel gelogen in diesem Film. Bei der Polizei lügt Hanna, um sich nicht zu belasten wegen unterlassener Hilfeleistung. Es hätte auch die Auseinandersetzung mit ihren vor- oder unbewussten Todessehnsüchten gegenüber Yann bedeutet können.
Meist wird jedoch gelogen, um den Anderen nicht zu verletzen oder zu kränken. Und genau hierüber nimmt die Tragik ihren Lauf nimmt.
Betrachten wir hierzu folgende Szene: beide liegen kuschelnd nach vermutlich leidenschaftlicher Sexualität nebeneinander im Dunkeln im Bett:
Sie: „ich will nicht, dass Du wieder gehst“. „Dann bleibe ich bei Dir“. „Das WÄRE schön“. „Ja?. Ich muss noch nicht zurück“. „Wie lange kannst Du bleiben?“. „Solange wie wir wollen“. „Und Dein Job?“. „Ich habe gekündigt“. „Was?“. „Die wollten mir nicht freigeben, um zu Dir zu kommen“ [sie macht das Licht an, lacht irritiert] „Und Deine Band und Deine Freunde?“. „Wenn Du nicht willst, dann sag es!“. [Und jetzt kommt die verhängnisvolle Lüge] „Nein, ich will ja…aber es geht alles so schnell“
Nein, SO will sie das nicht, was sie erst bei der zweiten Eifersuchtsszene sagen kann. Hier lügt sie. Dennoch ist sein Bedürfnis nach Eins-sein, nach Verschmelzung, nach Aufhebung von Zeit und Raum ohne äußeren Verpflichtungen eine enorme Verführung für sie, weil es vermutlich eigene alte und frühe Sehnsüchte berührt, die nie wirklich erfüllt wurden und die sie jetzt auch in Partnerschaften sucht. Vielleicht war dies auch der Grund dafür, dass sie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin werden will und innerlich stark mit Sarema, dem zu betreuenden Kind verbunden ist.
Spannend hierbei ist, was Sarema einsilbig meist auf Fragen antwortet, was sie möchte: „ich weiß nicht“.
Hanna ist diejenige, die genau besehen auch nicht wirklich weiß, was sie will. Und sie hat Angst, blind zu sein, nicht wirklich sehen zu können. Daher kommt es in einer Szene auch zum Streit mit der Kollegin Evi, als die Spielgruppe mit Sarema blinde Kuh spielt. Das muss Hanna sofort unterbinden. Hanna will sehen, und sieht eben doch nicht.
schleichender Verlust der Gewissheiten
Hanna beginnt an ihrer Wahrnehmung zu zweifeln. Irgendwie ahnt sie, dass Marie mit Goran und Goran mit Evi eine Affäre hatten, was beide massiv bestreiten und wodurch Hanna noch weiter verunsichert wird. Es ist ein massiver Angriff auf ihre Wahrnehmungsfähigkeit, ein Phänomen, dass wir übrigens häufig bei Patienten finden, die im familiären Umfeld missbraucht wurden.
Als Marie ihr später die Lüge gesteht, ist sie nicht ärgerlich, sondern eher entlastet, weil ihr das Geständnis erst einmal wieder ein Stück Gewissheit zurückgibt, jedoch nur kurzfristig.
Die Ungewissheit von Hanna kommt schleichend daher: hat sie den Wecker ausgemacht und deswegen verschlafen oder aber wollte Yann nicht, dass sie zur Arbeit geht. Hat sie die Fotos am Kühlschrank doch selbst wieder herumgedreht oder aber war Yann mit nachgemachtem Schlüssel in der Wohnung. War er beim Konzert oder täuschte sie sich. Als das Treppenlicht ausfiel, war da überhaupt jemand im Hausflur? Hat er die tote Taube, ähnlich dem Videoclip vor ihren Eingang hingelegt. War Yann derjenige, der Sarema ein Kuscheltier schenkte, das frappierend dem entsprach, dass er früher mal für sie gezeichnet hat. War er im Schwimmbad und hat sie wie früher beim Baden gefilmt. Und schließlich hat Hanna tatsächlich Yann im Regen vor ihrer Tür getroffen, ihn mit nach oben genommen und mit ihm geschlafen. Oder bildet sie sich das alles nur ein i.S. einer psychotischen Wunscherfüllung, wie ihr auch der Polizist nahelegen möchte.
Als Marie in einem Gespräch davon spricht, dass Yann in den Donau-Kanal gefallen ist und Hanna sich sicher ist, nie davon gesprochen zu haben und Marie ihr genau dieses unterstellt, kommt es schließlich zum Bruch mit Marie und zum Wutausbruch. Sie scheint endgültig allen Halt verloren.
Auch wir Zuschauer stehen anfangs noch sehr auf Hannas Seite, beginnen aber ähnlich wie Marie und die Polizei zunehmend zu zweifeln. Die psychotische Wunscherfüllung, d.h. Yann gesehen, getroffen und mit ihm geschlafen zu haben wäre damit der Versuch, sich von der Schuld und die Verantwortung für den Tod von Yann zu befreien. Sie würde sich in ihrem Wahn den Wunsch erfüllen, Yann nicht versehentlich umgebracht zu haben.
Aber ist er nun tot oder nicht. Die allerletzte Einstellung im Film ist ein verwackeltes Video von Hanna von der gegenüberliegenden Straßenseite aus gefilmt, das sehr an die Videoclips von Yann erinnert. Also ist Yann doch nicht ertrunken, oder?
mein / unser Wahnsinn
Meine erste Assoziation zum Titel des Films bei sehr rudimentärem Schulfranzösisch war „meine Folie“, i.S. einer Kopie, was in gewisser Weise ja auch stimmt. Aber Ma Folie heißt: mein Wahnsinn.
Und Hanna ist anfangs „wahnsinnig“ verliebt. Hanna selbst und wir als Zuschauer befürchten im weiteren Verlauf des Films, dass aus dem wahnsinnigen Verliebtsein Wahnsinn wird oder geworden ist. Und Yann ist ebenso wahnsinnig verliebt, aber vielleicht ist er eben auch „irre“.
Im Gespräch mit Marie nach ihrer Rückkehr aus Frankreich kann sie gar nicht genau beschreiben, was sie an Yann so toll findet. Seine anfänglichen lettres filmeés sind aber wahre Feuerwerke von Liebeserklärungen die ihre Sehnsüchte ganz unmittelbar erreichen und befeuern. Aber genau über diese damit geschaffene Offenheit dringen dann später auch die destruktiven Videoclips in sie ein.
Man kann dies gut vor und bei der U-Bahn Fahrt beobachten, als sie sich nach der Trennung voller Hoffnung über ein neues Video freut und nicht abwarten kann, es sich anzuschauen. Während die anfänglichen Videoclips – wenn sie so wollen – liebevolle und ersehnte visuelle Penetrationen waren, zeigt dieses neue Video, wie ein Auge mit einer Rasierklinge zerschnitten wird. Es ist ein Symbol dafür, dass Yann jetzt destruktiv über ihr Auge konkretistisch in sie eindringt. Sozusagen eine vollzogene visuelle Vergewaltigung.
Sadomasochistische Kollusion
Freud vertrat in seinen frühen Arbeiten die Vorstellung, dass der Sexualtrieb aus mehreren Komponenten besteht: aus dem Sadismus, dem Masochismus und dem Voyeurismus. Dass er hierbei noch als vierten Punkt die Homosexualität zählte, wird heute so nicht mehr geteilt.
Sadistische Handlungsimpulse zeigen sich nach seiner Auffassung dann, wenn aus welchen Gründen auch immer der Sexualtrieb durch Verschiebung aggressiv aufgeladen wird oder werden muss.
Wir können in diesem Film beobachten, wie nach einer überaus großen leidenschaftlichen Beziehung und beidseitiger Hingabe es genau zu einer solchen Entmischung des Sexualtriebes kommt, sich sadistische und zusehends auch exhibitionistische Komponenten als ins Gegenteil verkehrte voyeuristische Motive offenbaren (nach Freud ein untrennbares Paar). Hanna und Yann haben Sex in der Zugtoilette oder kommen noch den Gürtel schließend aus dem Gebüsch. Das verschmitzt und schamvolle Lächeln maskiert nur bedingt die Lust, den anderen damit gezeigt zu haben, was sie da gerade gemacht haben.
Ohne jeden Zweifel agiert Yann zunehmend sadistisch. Er quält und will ganz offenkundig Hanna quälen, verletzen, vernichten. Nun warum macht er dies, weil er rundweg böse und schlecht ist? Darauf könnte man sich schnell einigen und gut ist.
Wenn Yann sagt: „Ich habe mein Leben für Dich aufgegeben“ wird damit deutlich, dass er andererseits sich vollständig und existentiell Hanna ausgeliefert fühlt. Er hat sein Leben gegeben. Sein Sadismus ist nun die agierte Projektion. Er lebt im Sadismus bei ihr aus, was Hanna ihm aus seiner Perspektive angetan hat.
Und Hanna: akzentuiert über ihre anfänglich großen passiven Liebessehnsüchte bleibt in dieser sadomasochistischen Kollusion nur die masochistische Seite, an der sie droht, privat und beruflich zugrunde zu gehen.
Meines Erachtens ist diese sadomasochistische Kollusion keine Perversion, weil das Ausagieren nicht mit sexueller Lust oder sexueller Befriedigung einhergeht. Beide sind narzisstisch tief gekränkt und einig im Leid.
das Wasser und das ozeanische Gefühl
Wasser hat in diesem Film eine große Bedeutung. Die Straßen sind nass, als sie ihn zum ersten Mal sieht, als sie ihn trifft, bevor er in den Donau-Kanal fällt. Und schließlich steht er im strömenden Regen bei ihr vor der Tür. Und Hanna berichtet, dass sie schwimmt, wenn es ihr schlecht geht,.
In der Arbeit „Unbehagen in der Kultur“ beschreibt Freud in der Auseinandersetzung mit der Religion als Illusion ein sogenanntes ozeanisches Gefühl als „ein frühes Ichgefühls“, bei dem Ich und Außenwelt eben noch nicht getrennt sind.
Beide, Hanna und Yann haben eine solche Sehnsucht nach Verschmelzung, nach Eins sein i.S. der Wiederherstellung eines uneingeschränkten Narzissmus, bei dem Zeit, Raum und Grenzen keine Bedeutung haben und haben dürfen. Yann: „Ich kann nicht ohne Dich leben“ oder „Ich habe mein Leben für Dich aufgegeben“ und es kann und darf keine Geheimnisse und damit eine Abgegrenztheit geben. Yann: „Ich will die Wahrheit wissen, warum kannst Du nicht einfach die Wahrheit sagen“. Es darf nichts Eigenes geben, alles muss das Gemeinsame sein.
Andererseits wissen beide nicht wirklich, wer der Andere ist, weil es i.S. Bion noch keine wirkliche dritte Position gibt, die sozusagen das Denken ermöglicht oder anders formuliert eine Theory of mind fehlt. Weder kennen sie wirklich den Anderen noch die eigenen Wünsche. Nur eins wissen sie: „Ich kann nicht ohne Dich leben!“.
So kann Hanna gegenüber Marie nicht beschreiben, wer Yann eigentlich ist und Yann sagt ihr kurz vor seinem Sturz ins Wasser: „Weil ich gemerkt habe, dass ich gar nicht weiß was Du denkst oder wie es Dir geht, habe ich mir einfach MEIN eigenes Bild von Dir gemacht“.
Es gibt eine wechselseitige Projektion, weil beide die Eigenständigkeit, Individualität des Anderen und das Anderssein nicht anerkennen, nicht anerkennen dürfen, weil es das ozeanische Gefühl, oder die tiefe Sehnsucht existentiell bedrohen würde.
Schluss
Möglicherweise gibt es nichts Schrecklicheres, wenn der Wunsch nach Eins-sein, nach Verschmelzung, nach grenzenloser Liebe sich generalisiert. Es ist eine Sehnsucht ohne Worte und die Sprache bietet keine Gewissheiten.
Vorübergehend streben wir alle solche Momente an: in der Sexualität, nach und während einer Geburt, mit Säuglingen, bei einem tollen Konzert und wegen mir auch in der Badewanne nach einem anstrengenden Tag. Wird aber dieses Bedürfnis generalisiert, münden diese regressiven Wiederbelebungsversuche einer frühen Mutter-Kind- Einheit, bei dem Selbst- und Objekt, ICH und DU noch nicht als eigenständige Entitäten existieren dürfen in eine emotionale Resonanzkatastrophe.
Und genau an einer solchen emotionalen Resonanzkatastrophe haben oder mussten wir teilnehmen.
Sehr feine und präzise Analyse
Wo läge die Möglichkeit des Gelingens für die Beiden ?
Viele Grüsse🌹